Der Mythos
In der allgemeinen Wahrnehmung ist Digitalisierung immer leicht mystisch, ein anzustrebender Zustand, den aber niemand je wirklich erreicht. Für den absoluten Endausbau mag das auch so sein, den braucht es oft aber gar nicht. Die Digitalisierung sollte kein Selbstzweck sein, sondern Prozesse von Papier und Anwesenheit weg, hin in Rechner und Internet bringen, um das Leben der Menschen zu erleichtern oder den Prozess kostengünstiger zu machen.
Prinzipiell ist jede Abschaffung eines Papierformulars in eine App bereits Digitalisierung, da etwas Bestehendes „Dingliches“ nunmehr digital ist. Aber, es gilt auf der anderen Seite auch der Ausspruch eines Digitalberaters: „Wenn Sie einen <Scheiss-Prozess> digitalisieren, dann haben Sie einen digitalen Scheiss-Prozess“. Meistens wird im Rahmen der Digitalisierung auch ein Wechsel in der Herangehensweise mit erledigt, oder es werden digitale Prinzipien im neuen Prozess verankert.
Die Prinzipien
Digitalisierung ist zwar etwas vermeintlich Neues, läuft aber trotzdem nach einigen wenigen Regeln ab, die gar nicht so neu sind:
Speed beats perfection
Der wichtigste Grundsatz: der erste Spieler auf dem Platz gewinnt. War WhatsApp der technisch Überlegene, war die Lösung bereits perfekt? Nein, natürlich nicht, aber WhatsApp ist als Erster den Weg gegangen, hat einen freien Einstieg geschaffen und war als erster fertiger Messenger auf dem Markt. Schnelligkeit hat hier die Perfektion ausgestochen. Die vorhandene Basis-Funktion war bereits so bestechend, dass die weiteren Komfortfeatures einfach warten konnten.
The winner takes is all
Nenne eine weitere Social Media Plattform für Privatleute, außer Facebook! Wer waren Sie alle, StudiVz, MyFace, es gab einige, aber langfristig hat der Marktführer alle anderen Marktteilnehmer verdrängt und den Bereich für sich eingenommen. Das gibt es bei einigen Anwendungsfällen, nicht nur Facebook, sondern beispielsweise auch WhatsApp.
Hier sind einige andere Messenger noch am Leben, aber deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle, etc. Über die Zeit hinweg werden viele Wettbewerber von diesem Marktführer verdrängt oder übernommen. Amazon und Facebook, aber auch Apple, haben hier gezeigt, wie Digitalisierung abläuft – die größere Lösung setzt sich gegen die Kleinen durch (ganz oder größtenteils) und neue kleine Lösungen setzen sich nur schwer durch.
Data is the new oil
Daten sollen das Öl des nächsten Jahrhunderts sein. Im Moment noch schwer vorstellbar, dass in vielen Industrien die meisten Gewinne nicht mehr mit dem Kernprodukt, sondern mit dem Verkauf der Daten über deren Nutzung entstehen. Eine Illusion derzeit, denn bislang gestaltet sich die Umsetzung dieser Regel als äußerst schwierig. Es werden an vielfältigen Stellen Daten gesammelt, allerdings wird heute noch sehr wenig damit angefangen. In sehr vielen Bereichen sind die Daten aber auch noch gar nicht verfügbar.
Maschinen aus den 2000er Jahren haben schlicht nicht die Sensorik verbaut, die permanent die Drehzahl der Welle und die Temperatur des Öls abgreifen, auch bei älteren Autos sind diese Daten einfach nicht verfügbar. Oftmals ist aber auch gar nicht klar, was man überhaupt mit solchen Daten anfangen kann. Und ohne Nutzen findet sich keine Bezahlung.
Digitalisierung konkret
Sinnvolle und umsetzbare Digitalisierung begegnet uns schon heute zu jeder Zeit und an jedem Ort. Ein Urlaubsprozess, der nicht mehr auf Papier basiert, sondern in einem System abläuft (oder zumindest per E-Mail), ist angewandte Digitalisierung und ist in Zeiten von Pandemie und Homeoffice auch gar nicht mehr anders darstellbar.
Einen Schritt weitergedacht und auf die Kernprozesse übertragen, kann Digitalisierung beispielsweise einen Lieferscheinprozess oder eine Kommissionierung von Papier in eine Software übertragen. Der Nutzen liegt hier auf der Hand: Meistens laufen die Prozesse schneller ab, es werden Wegzeiten eingespart und es muss keine Abschrift mehr bei Änderungen erfolgen.
Integrierte Software-Systeme helfen
Die konsequente Fortsetzung der Digitalisierung ist die Überführung der Geschäftsprozesse in ein integriertes System, das das Zusammenspiel der Prozesse per se unterstützt und optimiert. SAP SE bietet mit der S4/HANA basierten erweiterten Digital Supply Chain hier eine Lösung an, die den Anwender nativ bei der integrativen Vernetzung der Prozesse unterstützt.
Aber natürlich bleibt es dabei, der Prozess muss sinnvoll und schlank, aber auch ausreichend zur Befriedigung aller Kundenbedürfnisse aufgesetzt werden. Hierbei unterstützen Berater wie wir, die den Kunden nicht nur in der Umsetzung im SAP-System, sondern auch bei der Optimierung der Prozesse in der Supply Chain beraten.
Natürlich gibt es auch andere Anbieter, die entweder sehr generell oder auch mit klarem Fokus auf die Supply Chain Software zur Unterstützung der Geschäftsprozesse anbieten. BlueYonder wäre ein Beispiel mit Fokus auf die Logistik und Supply Chain Prozesse Ihrer Kunden, mit einem lokalen Schwerpunkt in Nordamerika.
FAZIT
Digitalisierung ist ein Thema unserer Zeit und wird sich nicht wieder verabschieden. Die Integration aller Dinge und Prozesse ist vermutlich nicht mehr aufzuhalten, zumindest an den Stellen, wo es sinnvoll ist. Ein Temperatursensor in Turnschuhen ist sicherlich technisch möglich, zumindest mir fällt hier aber kein Nutzen ein, den eventuell ein Anwender oder Werbetreibender würde bezahlen wollen.
Für viele andere Bereiche gibt es bereits Ideen oder fertige Anwendungen, die auf den ersten Blick verrückt klingen und doch funktionieren: Ein Fahrstuhlhersteller belauscht mit einem Mikro die Tür des Fahrstuhls beim Öffnen – daraus kann er den Verschleiß des Fahrstuhls erkennen und eine Wartung anbieten, bevor etwas ernsthaft beschädigt wird.
Wichtig bleibt aus meiner Sicht, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und immer den Menschen unterstützen soll. Dann schaffen wir weitere, menschenwürdige Arbeitsplätze in vielen spannenden Bereichen.